Zünden Sie die erste Kerze am Adventkranz an! Wenn Sie wollen, können Sie auch singen:
„Wir sagen euch an, den lieben Advent,
Sehet die erste Kerze brennt!
Wir sagen euch an eine heilige Zeit.
Machet dem Herrn den Weg bereit.
Freut euch, ihr Christen, freuet euch sehr!
Schon ist nahe der Herr!”
(Evangelisches Gesangbuch 17)
Ein Gebet:
Gott, du kommst anders, als erwartet, aber du kommst, darauf können wir uns verlassen. Wir bitten dich, erhalte uns die Zuversicht auch in schweren Zeiten, wenn um uns herum alles unberechenbar ist. Sei bei uns jeden Tag. Amen.
Predigttext aus dem Buch Sacharja, Kapitel 9:
Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.
Endlich soll Friede werden! – so kurz und einfach kann der schön ausgeschmückter und altmodisch formulierter Text vom Propheten Sacharja zusammengefasst werden.
Im Advent wartet die Kirche nicht einfach auf ein Baby, das auf die Welt kommt, sondern auf einen Menschen, der Friede bringt für alle. Friede kann nicht durch Krieg entstehen. So oft hat die Menschheit das schon versucht, aber jeder Krieg hat Opfer, und somit einen Grund, Rache zu nehmen. Aus Krieg wächst Angst und unterdrückter Wut, der aber in jeder Sekunde bereit ist, auszubrechen – aber es wächst kein Friede daraus.
Wer Friede will, muss den Weg der Gewaltfreiheit und Gerechtigkeit einschlagen. Die beiden hängen miteinander eng zusammen.
Gerechtigkeit bedeutet in der Bibel nicht, dass alle gleich viel bekommen. Es ist nicht die Gerechtigkeit von Iustitia, die mit ihren verbundenen Augen nicht auf die Person schaut und mit ihrer Waage ganz unparteiisch Stellung nimmt.
Die Gerechtigkeit im biblischen Sinn schaut sehr wohl auf die Person. Sie schaut in die Augen des Gegenübers und fragt: was brauchst du? Es gibt Menschen, die mehr Hilfe und Unterstützung brauchen und es gibt andere, die viel allein schaffen können. Oft sind diejenige, die es allein schaffen, die, die eine bessere Startposition hatten und so wird es ihnen nicht bewusst, dass auch sie es nicht allein schaffen, sondern mithilfe ihrer Privilegien und auf den Schultern ihrer Vorfahren und deren Privilegien.
In diesem Jahr – „dank” Corona – konnten viele Menschen an der eigenen Haut spüren, dass Gerechtigkeit überlebensnotwendig ist. Finanzielle Probleme haben auch Menschen erreicht, die sonst immer sehr fleißig arbeiten und ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Ganzen leisten. Auch diejenige, die arbeiten wollen, hatten dieses Jahr dazu nicht immer die Möglichkeit. In einem Wohlstandsland wie Österreich war bisher so etwas fast unvorstellbar. Dementsprechend hat auch oft das Mitgefühl gefehlt, wenn es zum Beispiel um die Flüchtlingsfrage ging. „Sie kommen nur und wollen nicht arbeiten, sie leben auf Kosten der Steuerzahler” – so die verbreitete Meinung. Dass Flüchtlinge sehr wohl mehrheitlich arbeiten wollen und sich nach einem aktiven Leben mit Arbeit und Normalität sehnen, haben viele, die im Wohlstand gelebt haben, vergessen. Dass die anfängliche, etwas großzügigere Unterstützung genau deshalb gerecht war, weil schwächere mehr bekommen sollen, als diejenige, die es auch allein – dank ihrer Privilegien – schaffen können, das haben viele übersehen.
Im Advent 2020, im letzten Monat eines nicht so leichten Jahres sehe ich die Chance, Gerechtigkeit neu kennenzulernen. Die Gerechtigkeit, die nicht jedem genau die gleiche Portion gibt, sondern die, die jedem das gibt, was fürs Leben wirklich notwendig ist, und was einem hilft, später selber zu schaffen.
Jesus hat es uns vorgelebt, wie diese Gerechtigkeit geht. Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken – hat er gesagt. Nicht diejenigen, die es alleine schaffen, sondern die Armen, die Geschwächten, die Unterdrückten, die Vergessenen, die Übersehenen. Natürlich hat er mit allen möglichen Menschen Kontakt gehabt, auch mit den Mächtigen. Sie haben ihn aber eher als Diskussionspartner gesehen oder oft auch als einen Rivalen, den es zu besiegen gilt. Und Menschen, die keine Privilegien hatten, die sonst immer leer ausgegangen sind, sie haben in Jesus die Person entdeckt, die die Hoffnung bringt und auch Kraft, die Welt in kleinen Stücken zu verändern.
Auf welchen Jesus warten wir heute? Auf den, der nur schön das Wohnzimmer dekoriert oder auf den, der Gerechtigkeit lebt und dabei auf Gewalt verzichtet? Der erste bringt vielleicht ein Gefühl vom Frieden ins Wohnzimmer, aber nur der zweite bring den Frieden für Menschen, die kein gemütliches Wohnzimmer besitzen.
Fürbittengebet
Komm zu uns, guter Gott, komm zu uns aufs Neue, denn wir brauchen dich in dieser Welt.
Komm zu allen, die deine Hilfe brauchen. Öffne auch unsere Augen und Hände, anderen zu helfen!
Komm zu denen, die Krieg, Hunger oder die fehlende Aussicht auf ein menschenwürdiges Leben in die Flucht treiben. Lass sie den Mut nicht verlieren, und lass uns diese Menschen schätzen und offen aufnehmen.
Komm zu denen, die um ihre Gesunheit und um ihr Leben haben, Komm zu denen, die in Pflegeheimen, in den Krankenhäusern und in der häuslichen Pflege arbeiten und erschöpt sind.
Komm, und bleibe bei uns und lehre uns den Weg der Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit zu gehen.
Amen.
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen
Nichts soll dich ängstigen,
nichts dich erschrecken.
Alles geht vorüber. Gott allein bleibt dasselbe.
(Theresa von Avila)