„Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“ – lautet der Wochenspruch am 3. Sonntag nach Epiphanias. Diese Zeit im Kirchenjahr lädt uns ein, Wege zu suchen, wie wir das von Christus gebrachte Licht weitertragen können. Der Wochenspruch bringt es auf den Punkt: wir geben das Licht weiter, wenn wir Offenheit und Akzeptanz gegenüber allen Menschen zeigen, egal woher sie stammen, welche Hautfarbe und welche Religion sie haben. Gott tut es genauso. Er ist der Schöpfer von allen Menschen, ihm sind wir alle gleich wertvoll: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Männer und Frauen, Kranke und Gesunde, einfach alle.

Es gibt eine verblüffende Geschichte im Alten Testament, sie ist im Buch Ruth erzählt. Es geht hier um mehrere Flucht- und Migrationsgeschichten. Naomi und ihr Mann, Elimelek haben aus Juda mit ihren Söhnen nach Moab geflüchtet, weil in ihrer Heimat Hungersnot war. Die Jungs sind dort groß geworden und haben einheimische Frauen geheiratet: Orpa und Ruth. Als die Männer starben, entschließt sich Naomi, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Logisch wäre, dass die zwei jungen Witwen dort bleiben, wo sie sind, sie sind ja dort zu Hause. Orpa bleibt tatsächlich, aber Ruth will mit ihrer Schwiegermutter in ihre Heimat mitgehen. Für Ruth ist es ein fremdes Land, wo sie als fremde, andersgläubige Frau, noch dazu Witwe, mit nichts Gutem rechnen kann. Doch, das hält sie nicht zurück. Sie will mit ihrer Schwiegermutter bleiben. Lieber fremd sein irgendwo, als auf eine Beziehung verzichten, die für sie viel bedeutet. An dieser Stelle und in diesem Zusammenhang kommt dann der oft zitierte Satz, den Ruth ausspricht: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen: wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden.“ (Ruth 1,16-17)

So wechseln die Rollen, bis jetzt war Naomi Wirtschaftsflüchtling in einem Land, jetzt wird Ruth die Fremde – aber nicht aus wirtschaftlichen Gründen, nicht mal weil sie vertrieben worden ist. Sie ist Migrantin aus freier Entscheidung. Sie kommt in ein Land, wo Fremde nicht besonders gut behandelt werden und hat nicht mal einen guten Grund dafür außer, dass sie gerne mit ihrer Schwiegermutter sein will.

Im Buch Ruth wird dann erzählt, wie Ruth doch noch einen Ehemann in Israel findet, das wäre aber an sich nicht so spannend, eine Liebesgeschichte unter vielen. Der einzige Grund, warum diese Geschichte in der Bibel Platz hat, ist dass Ruth im Stammbaum von Jesus vorkommt. Jesus ist Ur-ur-ur-ur-urenkel von einer fremden Frau, einer andersgläubigen Frau.

Es ist kein Zufall, dass diese Auffälligkeit in den Stammbaum von Jesus ins Evangelium geschafft hat. Es zeigt uns, dass in Gottes Geschichte jeder Mensch die Hauptrolle spielen kann. Und genau diejenigen, die am meisten verachtet werden, bekommen den Ehrenplatz beim Tisch Gottes.

So denke ich jedes Mal, wenn ich den unbarmherzigen Umgang mit Menschen sehe, die in Europa oder auch nur in Österreich fremd sind: wie kann jemand wagen, diese Menschen einfach aus dem Grund auszugrenzen, weil sie nicht in Österreich geboren wurden? Wer weiß, was in ihnen steckt, was sie für uns alle tun könnten, wenn sie die Möglichkeit bekommen würden? Beim Terroranschlag in Wien wurde es zu einer Sensation, wie mutig ein Mann aus dem benachbarten Kebabstand Menschen rettete und dabei das eigene Leben riskierte. Er wurde nicht in Österreich geboren aber das hat ihn nicht gehindert, zu helfen als niemand sonst den Mut hatte das zu tun.

In Gottes Geschichte können alle die Hauptrolle spielen: People of Color, Menschen mit der unterschiedlichsten sexuellen Identität, Bettler und andere benachteiligte Menschen. Wenn wir also beim großen Tisch für uns einen Platz möchten, befreunden wir uns am besten mit dem Gedanken, dass die Tischgesellschaft bunt zusammengewürfelt sein wird. Wer das nicht gewohnt ist, kann erstmal vielleicht Angst haben. Wie sind sie, die Fremden und was wollen sie von mir? Aber meiner Erfahrung nach: je vielfältiger ist die Tischgesellschaft, desto spannender ist der Abend. Vielfalt ist ein Geschenk, nicht etwas, was wir aushalten müssen. Wer das noch nicht sieht, hat das Geschenk noch nicht ausgepackt.

 

Grafik: Calwer Verlag Stuttgart

 

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